Latvia

II. Vilhemls Purvitis as the Symbol of Latvian National Identity

Inessa Rinke

Art Collecting in Latvia

Die kurze Version von Vilhelms Purvītis’ Biographie spiegelt aufs genaueste die Geschichte des lettischen Staates. Sie ist typisch für viele talentierte lettische Künstler. Er war ein erfolgreicher Mann, der ansetzte, St Petersburg zu erobern, und dann mit seinen gleichgesinnten Zeitgenossen nach Hause zurückkam.

Vilhelms Purvītis (1872-1945), ein in Lettland bewunderter und im Ausland bekannter Landschaftsmaler, schaffte das Unmögliche. Seine lettischen Landschaften mit schmelzendem Schnee und mit Frühlingsüberschwemmungen wurden das Image Lettlands im Lettischen Gedächtnis. Seine organisatorischen Fähigkeiten, für den neu gegründeten Staat Kunstinstitutionen zu schaffen, wurde bis heute nicht übertroffen. Purvītis kam nach einer Ausbildung und als gewähltes Mitglied der St. Petersburger Kunstakademie nach Lettland zurück; anschließend gründete er die Lettische Kunstakademie in Riga (1919) und war deren Rektor (1922-1934). Ebenso restruktuierte er die Rigaer Stadtgalerie zum lettischen Nationalmuseum und baute eine herausragende Kunstsammlung, die als die Basis für die Ausstellung der klassischen Moderne (1920er und 1930er Jahre) im lettischen Nationalmuseum dient. Er war der Herausgeber der ersten allgemeinen kunsthistorischen Darstellung in lettischer Sprache. Purvītis war bis 1939 der Kommissär von lettischen Kunstausstellungen im Ausland, darunter Ausstellungen in Budapest, Wien, Prag, Paris, London etc. Es wäre keine Übertreibung zu sagen, dass Purvītis selbst eine ganze Institution war. Sein Talent wurde oftmals in internationalen Ausstellungen anerkannt. Seine Werke wurden immer gesucht von Sammlern, und er war einer der wenigen lettischen Künstler, dessen Kunst bei großen internationalen Auktionen Interesse fand.

Purvītis leitete die Rigaer Städtische Kunstschule bis 1915; viele der späteren Avantguarde-Stars erhielten ihre erste Kunstausbildung hier, darunter Gustavs Klucis, Voldemārs Matvejs (in Russland bekannt als Vladimir Markov), Kārlis Johansons und viele andere. Während dem ersten Weltkrieg kamen viele nach St. Petersburg, Moskau, Penza, Kazan oder in andere russische Kunstzentren, wo sie die Chance hatten, ihre Erziehung fortzusetzen und Kontakte mit den Erfindern der russischen Avantgarde zu knüpfen. Während den 20er Jahren wurden einige dieser Künstler Freunde mit französischen Kubisten und mit den Kreisen um das Journal “L’Esprit Nouveau”, wo sie Artikel über lettische Kunst publizierten. Lettische Künstler bauten auch Kontakte in Berlin auf; sie stellten mit der "Novembergruppe" in der Großen Berliner Kunstausstellung aus. Die bolschewistische Revolution sowie die Ergebnisse nach dem ersten Weltkrieg ermöglichten 1918 die Gründung einer unabhängigen Lettischen Republik. Die Rigaer Künstlergruppe, 1920 gegründet, hatte eine besondere Rolle in der Entwicklung moderner Kunst und vereinte viele talentierte Künstler – Oto Skulme, Marta Skulme, Uga Skulme, Romans Suta, Aleksandra Beļcova, Konrāds Ubāns, Valdemārs Tone, Eduards Lindbergs, Ludolfs Liberts, etc. Diese Vereinigung träumte von der Entwicklung der modernen, zeitgenössischen Kunst in Lettland. In ihrer Praxis entwickelten sich verschiedene künstlerische Trends von Expressionismus bis Kubismus, eine eigene lokale Schule schaffend. Fasziniert von den radikalen Avantgarden im revolutionären Russland, entschieden sich der Gründer der Fotomontage Gustavs Klucis (1895-1938) und der abstrakte Maler Aleksandrs Drēviņš (1889-1938) in Russland zu bleiben; ihre persönlichen Motive waren ebenfalls bedeutend, da beide mit den Amazonen der russischen Avantgarde – Valentina Kulagina and Nadezhda Udaltsova.

In der Zwischenkriegszeit waren lettische Intellektuelle aktive Sammler – Ärzte, Anwälte, Geschäftsleute etc. Das repräsentative Haus der lettischen Pressezaren Antons and Emīlija Benjamiņš im Zentrum von Riga war geschmückt mit vielen Arbeiten lettischer Künstler, Familienportraits, besonders beauftragten Glasarbeiten etc. Aktive Kunstsammler gab es auch unter den Opernsolisten, den Tänzern des Balletts und der exotischen Tänze, die Werke von lettischen Künstlern ebenso wie aus verschiedenen Ausstellungen kauften, die durch Europa tourten. Die Ärzte Aleksandrs Neibergs (1875-1950) und Krišjānis Katlaps (1892-1964) brachten große undwertvolle Sammlungen zusammen. Beide wählten sorgfältig Werke in Künstlerstudios und verfolgten die Entwicklungen in deren Karrieren. Teile von Neibergs' Kunstsammlung bilden heute Ausstellungshighlights im lettischen Nationalmuseum der Künste. Katlaps' Sammlung bildet heute teilweise das Herz des Tukums Museums.

Die Geschehnisse des zweiten Weltkrieges zwangen viele Künstler zur Flucht ins Exil, darunter Vilhelms Purvītis. Auch ein Teil der großen Kunstsammler emigrierte. Einige schafften es, ihre Kunstsammlungen teilweise in ihre neuen Heimatländer zu bringen. Als die sowjetische Macht Wurzeln fasste, wurden die Eigentümer von reichen Bürgern, einschließlich Kunstsammlungen, konfisziert und nationalisiert. Viele Kostbarkeiten verschwanden in den Unruhen der Kriegszeit.

III. Non-Konformismus in Lettland

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